Vor ihrem Auftritt am Festival klangantrisch spricht Jaël im Interview über ihre Vergangenheit mit Lunik, ihre Gegenwart als Jaël und den bevorstehenden Auftritt in Riggisberg.
Seit dem Ende von Lunik sind Sie als Solo-Sängerin unterwegs. Trotzdem verbindet man Ihren Namen immer noch oft mit Lunik. Nervt das manchmal?
Jaël: Nein, das stört mich überhaupt nicht. Durch Lunik bin ich geworden, wer ich heute bin. Ich bin nach wie vor stolz darauf, was wir gemeinsam erreicht haben. Trotzdem möchte ich beim Festival klangantrisch zeigen, dass ich schon zu Zeiten von Lunik als «Jaël» unterwegs war.
Inwiefern?
Ich habe mich dazu entschieden, an diesem Konzert beinahe ausschliesslich Songs zu performen, die in früheren Kollaborationen entstanden sind. Es wird ein bunter Mix von Songs, die ich mit der kanadischen Band Delerium, dem Schweizer Künstler Mich Gerber, dem Norweger Pål Angelskar, der Schweizer DJane Tatana, meinem Duo MiNa, dem deutschen Act Schiller oder etwa für ein Theaterstück geschrieben habe. Auch von Lunik habe ich zwei Stücke im Programm und von meiner Soloplatte eines. Dazu darf natürlich meine Interpretation des Stückes «warum syt Dir so truurig» von Mani Matter aus der TV-Sendung nicht fehlen.
Das hört sich fast ein wenig wie ein «Best-of-Jaël-Medley» an…
Es ist eine Ansammlung von persönlichen Perlen. Da es nebst dem Orchester und der Stimme kaum Instrumentierung geben wird, werden die Stücke in einem neuen und einzigartigen Gewand zu hören sein – ein einmaliges Erlebnis, auf das ich mich irrsinnig freue!
Zurück zu Lunik: Als Sie 1998 zur Band gestossen sind, waren Sie noch eine Teenagerin. Wie findet man sich in diesem jungen Alter in der harten Musikbranche zurecht?
Ich hatte zu Beginn etwas Mühe mit der Aufmerksamkeit, die mir zuteil wurde. Es ist unnatürlich, wenn einen Leute auf der Strasse kennen und ich geriet deswegen manchmal ein wenig in Panik. Mit den Jahren habe ich meinen Weg gefunden, um damit umzugehen. Heute freue ich mich, wenn mir Leute, die ich nicht kenne, auf der Strasse zulächeln wie alte Freunde.
In welchen Punkten unterscheidet sich Ihre Karriere mit Lunik von Ihrer jetzigen Karriere als Jaël?
Dank der Zeit mit Lunik habe ich heute die nötige Erfahrung und die Kontakte, die man braucht. Deswegen verzichte ich auf einen Manager und eine Plattenfirma. Das gibt natürlich sehr viel mehr zu tun, als wenn man «nur» Sängerin und Songwriterin ist. Aber ich schätze die damit in Zusammenhang stehende Unabhängigkeit und Freiheit.
Sie haben in London eine Schauspielausbildung absolviert und kurz darauf bei «Unser Kind» erstmals bei einem Film mitgewirkt. Was verbindet die Schauspielerei und die Musik?
Auch beim Songwriting tauche ich immer mal wieder in andere Rollen ein. Viele meiner Stücke handeln zwar von meinem Innenleben und meinen Gedanken, aber manchmal bin ich ein «früheres Ich» und manchmal erzähle ich eine Geschichte eines anderen Menschen, als wäre es die meine.
Was fasziniert Sie an der Schauspielerei?
Mich hat in London vor allem die Meisner-Technik gepackt, da man sich dabei zu aller erst stark mit sich selbst und seinen «Rollen» – also Marotten oder Selbstschutzmechanismen – im Alltag auseinandersetzt. Mein Lehrer war davon überzeugt, dass man sich in keine Rolle «nackt» hineingeben kann, wenn man nicht zuerst die eigenen Rollen erkennt und abstellen kann. Dies war für mich sehr prägend und heilend. Es hilft mir, heute in meiner Ganzheit zufrieden und sicher auf einer Bühne zu stehen. Es gibt keine bösen Überraschungen mehr. Ich muss mich nicht hinter Irgendetwas verstecken und kann einfach ich selber sein. Das war für mich das Wichtigste an dieser Ausbildung.
Musik und Schauspielerei – das hört sich fast schon ein wenig nach Crossover an. Für ein Crossover-Konzert muss man experimentieren. Wie gerne experimentieren Sie?
Ich bin grundsätzlich am Menschen, an Emotionen und an Zwischenmenschlichem interessiert. So habe ich in meinem Leben immer wieder Kurse verschiedenster Bereiche besucht wie Kommunikationsseminare, Coaching oder Psychologievorlesungen. Ich empfinde mich als Songwriter stärker, wenn ich genau hinschauen und «hinfühlen» kann. Somit wirke ich auf den ersten Blick zwar vielseitig und breit interessiert, da ich ständig etwas Neues anreisse, letzten Endes zielt aber alles auf das Gleiche ab und das ist der Mensch und seine Innen- und Aussenwelt.
Was bedeutet denn Crossover für Sie?
Crossover ist für mich ein schwieriger Begriff, da ich selber nichts davon halte, Dinge zu «labeln». Gerade in der Musik finde ich dies äusserst schwierig. Aber der Mensch hatte schon immer das Bedürfnis, Unterscheidungen zu machen und Grenzen zu ziehen. In meiner Weltanschauung ist alles eher fliessend übergehend.
Mit wem würden Sie gerne einmal gemeinsam auf der Bühne stehen?
Ich bewundere viele Künstler, aber ich habe mit den Jahren gemerkt, dass eine gute Zusammenarbeit viel weniger damit zu tun hat, ob gegenseitige Bewunderung da ist, sondern mehr dass wir die Musik ähnlich empfinden. Und dann gibt es noch dieses unerklärliche, unplanbare Element.
Was meinen Sie damit?
Ich habe schon mit Künstlern gesungen, die ich unfassbar gut finde, aber mit meiner Stimme zusammen war das dann wie zwei Bausteine, die nicht ineinander hakten. Auf der anderen Seite gab es auch das Gegenteil. Meine Stimme mischte sich gut mit jemandem, den ich vorher nicht kannte – aber die Kombination war magisch.
Konzert am Freitag, 9. Juni 2017 mit VoiceArt, Karel Kosárek und dem Klaipeda Chamber Orchestra
18.30 Uhr: Türöffnung und Barbetrieb mit Verpflegungsmöglichkeiten
20.30 Uhr: Konzertbeginn
Tickets: Vorverkauf unter tipo.ch/klangantrisch CHF 45.– / Abendkasse 50.–