Wie würdet ihr euren Stil beschreiben?
Urs Gilgen (UG): Keine Ahnung (Gelächter).

Trifft es Rumpelrock?
Tobi Heim (TH): Ja, Rumpelrock, das hat sich so etabliert.
Simon Jäggi (SJ): Was bei uns wichtig ist, sind halt die akustischen Instrumente. Das ist sicher ein Element, dass unseren Stil folkig macht.
UG: Ja, es ist eine Art rumpliger Folk-Rock.

Wer schreibt die Texte?
SJ: Die schreibe ich.

Wovon handeln sie?
SJ: Puuhh (seufzt), Lieder zeichnen sich ja eben dadurch aus, dass sie etwas erzählen. Jeder soll das heraushören, was er will. Das ist so schwierig wie Ballett zu beschreiben. Für mich ist ein Lied dann gut, wenn jeder das heraushört, was er will. Und es kommt auch darauf an, was das Album für eine Stimmung hat. Das letzte, «Apokalypse», ist ein dunkles Album. Das muss man gar nicht heller machen, als es ist, obwohl es auch leichte, sonnige Momente hat, die dort durchscheinen.

Sind eure Alben nicht allgemein eher dunkel?
SJ: Ja, diese Tendenz haben wir.
UG: Und doch kann man auch im Schatten eine Party feiern. Es gibt ja auch immer wieder festliche Momente.
SJ: Ja, sie sind sowieso eher bipoplar (Gelächter), also auch vom musikalischen her.
UG: Mal sind sie gut, mal schlecht, mal schön, dann wieder «gruusig».
SJ: Wir sind schon eine Band, die versucht, die Emotionen auszureizen. Auch musikalisch. Wir machen sehr unterschiedliche Musik: langsam, traurig, schnell, hart. Was wir nicht können, sind Alben machen, auf denen jeder Song gleich klingt. Sie sind schon vielseitig.
Higi Bigler (HB): Eklektisch!
UG: Was für ein Wort!

Wie entstehen eure Songs?
UG: Es gibt keinen fixen Arbeitsprozess. Das ist immer unterschiedlich. Tatsache ist, dass alle die Finger drin haben. Alle wollen dazu beitragen, dass es Lieder gibt. Deshalb sind sie auch so unterschiedlich, und wir machen uns auch alle unterschiedlich an die Arbeit. Manchmal bringt einer eine Idee von Zuhause mit, an der dann im Übungsraum weitergearbeitet wird und ein anderer bringt bereits einen fertigen Song mit, den wir dann versuchen zu spielen. In letzter Zeit waren es allerdings eher weitergedachte Ideen, die in den Raum gebracht wurden und die haben wir dann zu finalisieren versucht.
SJ: Wir sind deshalb auch das Gegenmodell eines Orchesters. Am Anfang waren wir über die autoritäre Welt des Orchesters ziemlich erschrocken, weil wir eben eine anti-autoritäre und demokratische Band sind. Auch weil alle bei allem mitarbeiten. Da gibt es keinen Dirigenten, der das Sagen hat. Auch ich als Sänger bin einfach ein Teil dieser Band.
TH: In der letzten Zeit war es oft so, dass zuerst der Text da war und wir dann die Musik gemacht haben, die dazu passt. Aber manchmal hatten auch wir zuerst die Musik und dann kam der Text dazu. Ich finde die erste Möglichkeit irgendwie angenehmer.
SJ: Das ist ja wie bei allem im Leben so: Mit der Zeit wird man einfach schlauer (Gelächter).
UG: Und doch versuchen wir seit 15 Jahren, die beste Art zu finden, wie wir das Ganze am besten «zu Boden bringen».

 

Ihr habt für euer aktuelles Album «Itz mau Apokalypse» mit dem Projektorchester «Variaton» zusammengespielt. Was waren eure Erfahrungen?
UG: Die können besser Noten lesen als wir (Gelächter).
TH: Für mich war es spannend, den ganzen Haufen zusammenzuhalten. Vor allem «Druschi» (Droujelub Yanakiew, Anm. d. Red.) zu folgen. Ich habe am Anfang nicht begriffen, wie das Dirigieren funktioniert. Ich dachte immer, ich sei zu spät. Nachher ging es dann gut.
SJ: Für mich war es beeindruckend, statt einer 5-köpfigen Band ein 60-köpfiges Orchester hinter mir zu haben. Das ist ein ganz anderer Klangkörper.

Kennt ihr eigentlich das klangantrisch?
SJ: Ja, jetzt (Gelächter). Das klangantrisch ist für uns ein Pflichttermin!
TH: Nein, bis jetzt hat noch niemand von uns dort gespielt oder davon gehört.
UG: Doch, ich habe davon gehört. Ich komme ursprünglich aus Schwarzenburg und das klangantrisch ist einer der grösseren kulturellen Anlässe, die sich in dieser Region abspielen.

Hat jemand von euch einen Bezug zu Riggisberg?
SJ: Ja, ich bin ja auf dem Längenberg aufgewachsen, also in Kehrsatz. Und Moritz, der heute nicht dabei ist, kommt aus Zimmerwald. Er hat auch Kollegen aus Riggisberg.
TH: Das habe ich auch, Kollegen aus Riggisberg.
SJ: Wir haben sogar ein Lied von diesem Riggisberg…
UG: Ja, ein Lied, das dort entstanden ist: «Du fragsch mi, wär i bi» ist ein Volkslied und eines der ersten Lieder, die wir neu vertont und aufgenommen haben. Es ist eines der schöneren Volkslieder, die wir gespielt haben und jetzt tragen wir das sozusagen wieder zurück in die Wiege.
SJ: Es hat auch einen schönen Text. Ich weiss gar nicht, wer den geschrieben hat.
HB: Unsere ersten zwei Platten waren ja Volklied-Texte, die wir aufgenommen und neu instrumentiert haben. Da haben wir zum Teil auch zwei, drei Verse zusammengesetzt und gesagt: So, das ist jetzt ein Lied. Dann haben wir die Musik, meistens auch die Melodie, neu geschrieben, ausser eben bei «Du fragsch mi». Da haben wir die überlieferte Melodie beibehalten, aber die Musik dazu neu gemacht – einfach nach unserem Gusto.
UG: Ja, und dann gehe ich mindestens einmal im Monat in die Abegg-Stiftung Teppiche schauen!
SJ: Und ich gehe jeden Sonntag in dieses Tea Room beim Kreisel ein Caraque essen…

Worauf freut ihr euch am klangantrisch?
TH: Ja, schon auf diesen Moment, wo wir das erste Mal miteinander spielen. Und auf die Bühne sowieso!
UG: Also mich nimmt Wunder, ob sie mit unseren Liedern etwas anfangen können und ob sie sich da rein geben. Und wie sie das machen. Es sind Lieder, die für ein Kammerorchester arrangiert wurden, und die wir selbst so noch nie gehört haben. Diese Proben werden also schon noch spektakulär. Auch für uns. Wir haben absichtlich noch ältere Lieder hervorgekramt und eine Auswahl getroffen, aber gehört hat die noch niemand. Das wird eine totale Premiere!
SJ: Das ist sowieso etwas, das wir als Band noch gerne machen, uns ab und zu aufs Glatteis wagen. Auch am klangantrisch ist der Ausgang offen, aber wir machen ja gerne solche Experimente.
UG: Im besten Fall gibt es einen Farbtupfer ins Leben.
SJ: Dieses ist ja sonst so langweilig (lacht).
TH: Wir haben «Druschi» unser Notenmaterial gegeben und er hat daraus gemacht, was ihm dazu in den Sinn gekommen ist.
SJ: Ja, jetzt mal ernsthaft: All die Konzerte im gleichen Rahmen als Rockband, das läuft sich schon einmal aus. All die Projekte, die wir nebendran gemacht haben, mit Theater, Ballett und Orchester oder bei minus 15 Grad draussen spielen, das bleibt einem vielmehr als der zweihundertste Clubgig. Am Schluss machen wir ja Musik für das eigene Vergnügen und damit wir unseren Enkeln etwas zu erzählen haben. Das sind die Momente, die einem bleiben.

Wie wichtig ist der Dirigent oder der Arrangeur für dieses Projekt?
HG: Der ist absolut zentral. Von uns hat auch niemand das Wissen, so ein Arrangement zu schreiben, weder für ein Symphonie- noch für ein Streich- oder ein Kammerorchester. Natürlich fliesst deshalb auch viel von seinen Ideen und seinem Geschmack in das Projekt ein, wobei das nicht grosse Auswirkungen auf unser Spiel hat, weil wir diesmal schon das machen, was wir auch sonst machen.
UG: Ja, er ist schon eine Art zusätzliches Bandmitglied geworden. Natürlich ausgestattet mit ganz anderen Kompetenzen und Fähigkeiten, aber wir arbeiten sehr eng mit ihm zusammen.
TH: Es ist auch sehr lustig mit ihm!
SJ: Ja, ich glaube im Herzen ist «Druschi» sowieso ein Rock ‘n’Roller. Es ist herrlich, mit ihm zusammenzuarbeiten!

Als ihr mit dem Projektorchester «Variaton» zusammengespielt habt, war es schwierig für dich, Simon, mit deiner Stimme durchzudringen?
SJ: Nein, weil ein Orchester viel differenzierter ist als eine Band. Aber das war anfangs ein ziemlicher Psychostress für mich: Zu wissen, hinter mir sind 65 Musikerinnen und Musiker. Daran musste ich mich zuerst gewöhnen, aber das Orchester trug mich dann auch.
TH: Auch die Abläufe waren spannend. Wenn wir zu fünft spielen, dann können wir bei einem Ablauffehler darüber hinweg «bschiisse», aber das geht mit einem Orchester natürlich nicht. Die spielen nach Noten. Da ist jeder Takt vorgegeben.
SJ: Das war mein Hauptstress, dass ich sie aus dem Konzept bringe. Mit der Band kann ich improvisieren, aber mit dem Orchester nicht. Wobei, ich weiss, nicht, vielleicht wäre das ja auch möglich gewesen…
TH: In der Band reden wir von Strophen und Refrains, aber wenn wir mit «Druschi» über das Arrangement reden, dann heisst es Takt 17 oder Takt 33 nochmals. Das ist weniger eingängig. Also, es ist einfach nummeriert (lacht).

Habt ihr euch trotzdem zurechtgefunden?
TH: Ja, wir hatten die Partitur vor uns und wussten dann etwa Takt 17 ist in der zweiten Strophe.
UG: Es ist halt auch sehr streng. 60 oder 90 Menschen waren es dann schlussendlich, die folgen und parieren mussten. Da ist alles sehr straff organisiert. Das haben wir vorher nicht gekannt. Als wir zur ersten Probe gekommen sind, haben wir zuerst mal unsere Instrumente aufgestellt. Dann hiess es: So, alle bereit?! Dann lässt das ganze Orchester los. Das hat uns fast die Hosen ausgezogen (Gelächter)! Das ist schon beeindruckend, wenn man zum ersten Mal in einem Symphonieorchester steht. Dann wurden die Proben fast militärisch durchgeführt. Was ja auch Sinn macht bei so vielen Musikerinnen und Musikern, sonst hat man sie nicht unter Kontrolle. Das hat mir schon imponiert!
SJ: Ich würde sagen, unsere Band ist schwieriger zu führen, als das Orchester (lacht). Bei uns ist immer jemand am Rauchen oder will noch ein Getränk holen. Diese Flausen mussten wir uns dann schnell austreiben, weil das bei ihnen nicht mehr möglich war und wir in dem Ganzen auch funktionieren mussten.

Ist euch das leicht gefallen?
UG: Nein, es ist halt total eine andere Welt, die da spielt. Und auch ein anderer Umgang mit der Musik. Mathematischer und exakter, könnte man sagen, als wir es machen. Das zusammenzubringen, war nicht ganz einfach. Wir wussten nicht, was ein Orchester überhaupt kann. Deshalb brauchten wir Unterstützung; jemanden, der uns das erklärt. «Druschi» hat unsere zwei Welten dann wunderbar ineinander verflochten.

Wie war es für euch als Band, euch gegenüber dem Orchester zu behaupten?
UG: Also ich habe da so einen Regler an meinem Instrument, da kann ich einfach lauter machen. Mit dem übertöne ich jede Oboe oder jedes Horn (Gelächter). Im Gegenteil wir mussten sehr leise spielen. Ein Schlagzeug ist ein Problem für ein Orchester, weil das irgendwie zu wenig dynamisch und einfach laut ist gegenüber einer Querflöte oder einer Harfe, die dann leicht untergeht (lacht).
HB: Bei den Endproben war das eines der wichtigsten Themen, wie laut man sein darf.
TH: Wir mussten recht lange dran arbeiten, bis die Lautstärke einigermassen ausgeglichen war und es gut geklungen hat. Das haben wir unterschätzt.
HB: Ja, aber das war dann auch nicht mehr unsere Arbeit, weil wir das gar nicht gross beeinflussen können. Das musste dann der Tontechniker vor Ort lösen und «Druschi», der das vorne auch hört.
TH: Das Schlagzeug hat eine gewisse Grundlautstärke, die es haben muss, damit es so tönt wie es für unsere Musik auch sollte. Danach mussten wir uns richten. Also «Druschi» hat sich dann auch nach mir gerichtet und so dirigiert. Aber die Einsätze musste ich bei ihm abschauen.
HB: Wir sind ja hinter dem Orchester gesessen. Nur schon räumlich gibt es bei so vielen Menschen eine Latenz. Wenn die erste Geige spielt und wir das Gefühl haben, wir spielen zusammen, sind wir eigentlich zu spät, weil es eine Weile geht, bis der Schall bei uns ist. Daran mussten wir uns zuerst auch gewöhnen. Dass da so eine Autorität vorne dran steht und den Takt angibt.

Wie ist es zur Zusammenarbeit gekommen? Seid ihr auf das Konzert Theater Bern zugegangen oder haben sie euch gefragt?
UG: «Variaton» hat uns angefragt. Sie machen jedes Jahr ein Projektorchester, wo sie im Crossover-Bereich etwas suchen und wir haben den Dirigenten bereits gekannt. Er wusste, dass wir schon solche Dinge gemacht haben und da recht offen sind.

Vielen Dank euch allen für das unterhaltsame Gespräch!

 


 

Donnerstag, 23. Mai 2019

Crossover-Abend in der Konzerthalle Riggisberg, Türöffnung 18.30 Uhr, Konzertbeginn 20 Uhr

Damentrio XPlosion

Kummerbuben

mit dem Klaipeda Chamber Orchestra, Leitung und Arrangement Droujelub Yanakiew.

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